Tag zwei kam mit einem üblichen Ritual daher – Baden gehen, Duschen, die Klorollen weiterreichen und die Getränke vorbereiten. Denn auch heute gab es neben Two Door Cinema Club und Deichkind so einiges zu erleben.
Newcomer der großen Worte
Fing der heutige Tag erst um 20 Uhr an, legte Drangsal auf der Medusa Stage eine Show hin, die an Pomp und 80’s-Sound kaum zu überbieten war. So klang der 23 Jährige wahlweise wie The Cure, The Smith oder Depeche Mode und könnte so in den 80er Jahren Millionen Platten verkaufen. Was in den 80er Jahren Mainstream war, ist heute ein Überbleibsel für den Indie- und Alternative-Fan. Auf dem MELT! konnten sich allerdings – und das war zu erwarten – sehr viele mit dem Sound des Wahlberliners identifizieren. Und so war die Medusa vollgepackt bis hinter die Bars. Der Pathos, mit dem Drangsal Songs wie Love Me Or Leave Me Alone, Hinterkaifeck und Allan Align performte, hätte bei vielen Bands ausgesehen, wie aufgesetzt oder angeeignet. Bei Drangsal jedoch wirkte alles stimmig und spätestens mit dem Cover des Lady Gaga Hits Paparazzi setzte er noch eins drauf und wandelte irgendwo zwischen 80’s-Kitsch und New-Wave Sounds.

Alte Bekannte präsentieren neues Material
Keine dreiviertel Stunde später ging es bereits auf der MELT! Stage mit Two Door Cinema Club los. Was hier zu erwarten war, wurde bei weitem übertroffen. Satte 19 Songs spielten die Nordiren und vereinten so alle Hits ihrer beiden, bereits veröffentlichten, Alben Tourist History und Beacon und ihrem, im Oktober erscheinenden Album Gameshow. So dauerte es gerade einmal einen Song, bis das Publikum direkt vor der Bühne anfing ekstatisch zu tanzen. So ging es über etwas mehr als eine Stunde durch Songs wie Sleep Alone, Undercover Martyn, Gameshow, Are We Ready (Wreck), Sun, I Can Talk, Something Good Can Work und Someday. Beendet hatten das Trio den Auftritt mit What You Know – einem letzten Aufbäumen der Masse um sich bei der Band für den Auftritt zu bedanken. Da wurde gesprungen und gepogt und ganz viel gejubelt und am Ende tief durchgeatmet.
Während auf der MELT! Stage umgebaut wurde, spielten in der Orangerie die Jungs von Kytes. Die Münchener Indierock Band ist seit geraumer Zeit ein Geheimtip, was Indie aus Deutschland angeht. So klingen sie wahlweise nach Phoenix oder Two Door Cinema Club. Mit Songs wie As We Row, Future Kids oder On The Run und einem unglaublich fidelen Auftritt, schafften das Quartett es problemlos, die Menge zum tanzen zu bekommen. So war der knapp 40-Minütige Auftritt mit ganz viel Energie gefüllt und sorgte für gute Stimmung.
Anarchie als Popkultur
Die Uhr zeigt 23:45 Uhr an – es wurde also Zeit für den wohl besten Auftritt des Abends. Waren doch Deichkind angekündigt. Wer bereits einige Jahre MELT!-Besucher ist, kann sich vielleicht an den legendären 2006er Auftritt der Combo erinnern. Den MELT!-Veranstaltern steckt dieser Auftritt wohl heute noch in den Knochen. Hatten Deichkind doch im letzten Song, Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah), welches um halb sieben Uhr in der früh gespielt wurde, alle Fans auf die Bühne gerufen und so für den absoluten Sicherheitsgau gesorgt. So bestiegen hunderte Fans die Bühne, drückten sich an Security’s vorbei und sorgten dafür, dass nicht nur der Strom ausfiel, sondern auch ernsthafte Gefahr bestand, dass die Bühnenkonstruktion zusammenbricht. So war es nicht verwunderlich, dass es sage und schreibe 10 Jahre gedauert hat, bis man Deichkind wieder auf einer MELT! Bühne zu sehen bekam – sicherlich auch mit strengen Auflagen. War 2006 der totale Abriss als Konzept geplant, könnte man das 2016er Konzept mit viel Pomp und Anarchie beschreiben. So gab es Wodkaduschen, Schlauchbote über den Köpfen des Publikums, Federn und jede Menge Konfetti. Deichkind sind schon lange nicht mehr die unprofessionelle Band, die mit Mülltüten auf der Bühne für absolutes Ausrasten stand. 2016 sind die Shows durchgestylt, mit Boygroup-Synchron-Performances und ganz viel Lichttechnik versehen. Da gab es Kostüme, die an Daft Punk erinnerten, Technik, die bei Kylie Minogue nicht besser passen könnte und einer Band, die den absoluten Exzess seit knapp 20 Jahren lebt. Mit diesem Performancekonzept wäre es dann auch nur zu verständlich gewesen, wenn keine weitere Band mehr die Bühne betreten hätte – kamen doch große Probleme auf, die ganzen Federn wegzubekommen. Von den Songs stachen vor allem Bück Dich hoch, Leider Geil, Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah) und Roll das Fass rein hervor. Bei letzterem wurde, wie schon auf dem letztjährigen Lollapalooza Festival, ein riesiges Fass in die Menge gerollt, auf dem Deichkind den Song sangen. Mit jeder Menge politischer Messages versehen, nutzten Deichkind nicht nur einmal die Gunst so viele zu erreichen. Anderthalb Stunden, 90 Minuten, von 23:45 Uhr bis 1:20 Uhr, ging das Konzert und beanspruchte die komplette Energie der Fans.
Vom Deichkind Auftritt noch körperlich gezeichnet, trat um 2:30 Jamie XX auf der MELT! Stage auf. Musste letztes Jahr wegen ihm die Gremmin Beach Bühne, wegen zu vielen Menschen, gesperrt werden, hatte er nun mit der MELT! Stage alle Möglichkeiten, die es zu haben gibt. Durch seine teilweise sehr ruhigen Songs, setzten sich so einige vor die Bühne hin und ließen so den Abend ausklingen. Mit Loud Places, dem You’ve Go The Love Cover oder I’ll Take Care Of You hatte Jamie XX genau den richtigen Übergang gefunden, um das Publikum von seinen Studioproduktionen mit, zu einem DJ-Set zu nehmen. War doch gerade der zweite Teil des Konzertes mehr Live-Mix als Studioaufnahmen.
Körperlich, nach Konzerten von Two Door Cinema Club und Deichkind, ein Wrack, freute man sich nur noch auf das Zelt. Und wer als erstes auf seiner Luftmatratze lag, war für diesen Abend auch nicht mehr gesehen. So ging Tag 2 zu Ende und wurden die Eindrücke verarbeitet. Mit Digitalism, Lea Porcelain und Disclosure warteten dann an Tag 3 noch weitere Highlights des letzten Tages.