Schnelle Autos lösen bei vielen ein ganz besonderes Gefühl aus. Für die einen ist es das pure Adrenalin, das ihn durch den Körper schießt. Für die anderen bedeutet es Schweißperlen auf der Stirn und wiederum andere steigen aus Angst vor einem unvorsichtigen Fahrer gar nicht erst ein, für Walking On Cars aus dem Westen Irlands bedeuten die ‚Speeding Cars‘ Erfolg. Hat sie der gleichnamige Song doch so weit gebracht, dass sie an einem sonnigen Februartag auf Promotour in Berlin sind. Im Gespräch mit Marten Zube für seinen Blog http://www.soundtrack-of-my-life.com
spricht die Band über 800,- € teure Musikvideos, irische Volksmusik und ihren Erfolg in der Heimat.
Nun sitzen die fünf Iren einem gegenüber und sind, gemessen an ihrem unglaublichen Erfolg auf der Insel, wohl immer noch die junge, zurückhaltende Band die sie in ihrem nicht einmal 2.000 Einwohner umfassenden Ort Dingle waren, bevor sie mit ihrer Musik durch die Decke gingen. „Es ist gar nicht so schwer eine Band zu gründen, wenn man in einem Ort mit 1.800 Menschen lebt. Hier kennt jeder jeden und man hat schnell die passenden Kontakte zusammen. Wir riefen Sorcha an, weil wir wussten, dass sie Klavier spielt – sie war sofort dabei.“ erklärt Patrick die Entstehung der Band im Jahr 2010. „Irland war zum damaligen Zeitpunkt in einer großen Rezession und wir hatten in unserer Stadt nicht wirklich viele Möglichkeiten. So konnte man sich die Frage stellen ob man lieber das Land verlassen oder für seine Heimat kämpfen möchte. Für uns stand nie zur Debatte das Land zu verlassen. Also fingen wir an, uns zu Jam Sessions zu treffen und schrieben Songs. Eigentlich gab es damals gar keine großen Intentionen, sondern einfach nur, dass der Wunsch da war zusammen Musik zu machen.“
„Von Anfang an stand für uns das Songschreiben im Mittelpunkt.“ wirft Sorcha ein „Das war es, was wir machen wollten. Nachdem wir dann in einigen Pubs in und um Dingle auftraten und uns für kurze Zeit wieder aus den Augen verloren, sagten wir uns neun Monate später ‚Verdammt noch mal, lasst es uns einfach probieren‘. Wir hatten eine wirklich gute Resonanz auf unseren Konzerten erhalten und entschieden uns ein paar Demos aufzunehmen.“
Paul fügt hinzu „Wir trafen uns bei mir in der Küche, die schon fast als Messiküche bezeichnet werden kann, spielten ein wenig Fifa und hingen einfach ab. In Dingle wird eher traditionelle irische Musik gehört, davon hatten wir genug.“ Sorcha meint, dass „es für uns schwierig war, sich mit anderen Musikern aus unserem Genre zu verbinden.“
Mit dem Musikvideo direkt ins Herz
Mit ihren Songs erschaffen die fünf Iren große, epische Hymnen, die oft mit tragischen Videos untermalt werden. Auf die Frage, wie die Band in solche Gefühlslagen kommt um solche Songs zu schreiben antwortet Patrick „Wir sitzen meist zusammen und schreiben Songs, die von Grund auf schon sehr traurig sind. Wir fühlen uns einfach wohler Songs zu schreiben die reduziert klingen.“
„Das Reduzierte sei hierbei auf die Stimmung der Songs bezogen. Wir alle lieben emotionale Musik, doch wir setzen uns nicht zusammen und sagen; Ok, lasst uns einen tragischen Song schreiben, es passiert vielmehr von selbst. Wir alle haben diese Momente, wenn wir einen Song im Radio hören und er uns plötzlich emotional einfängt. Genau das möchten wir auch mit unseren Songs erzeugen – wir wollen in den Menschen da draußen Emotionen, durch unsere Songs, hervorrufen“ so Sorcha.
Laut Patrick gibt „jeder von uns ein Stück seiner Persönlichkeit mit in den Song. Unsere Videos reflektieren eher die ganz normalen Menschen mit ihren Problemen wie Erwartungshaltungen, Prügeleien oder zwischenmenschlichen Konflikten. Jeder hat schon mal in einer beschissenen Situation gesteckt, da ist Musik ein guter Weg um damit klarzukommen.“
Mit ‚Speeding Cars‘ haben sich Walking On Cars darüber hinaus ein Monument gesetzt. Transportiert doch sowohl der Song als auch das dazugehörige Video eine Weite, welche sehr berührend und beklemmend wirkt. Doch anders als man vermuten würde, merkten die Bandmitglieder zu Beginn des Schreibprozesses gar nicht, dass dieser Song emotional groß werden könnte. „Vielmehr kam das Gefühl erst im Studio auf, als wir am Gitarrenpart arbeiteten.“ so Paul. „Wir nutzten dafür viele Hilfsmittel um einen großen Gitarrensound zu erzeugen. Als wir diesen Part dann auf den Song legten, hat es uns im Studio umgehauen und wir waren uns einig, dass dieser Song groß werden wird.“
Mit der Insel verwurzelt
In Irland ist Rockmusik sehr populär. Dass von der Insel nicht immer nur der St. Patricks Day ruft und Halloween seinen Ursprung feiert, weiß man spätestens seitdem U2 und The Corrs in den 80er und 90ern Jahren weltweite Erfolge feierten. Doch gibt es auch heute noch eine moderne und frische Musiklandschaft. Mit Bands wie Dropkick Murphys, The Script und Kodaline haben es drei Bands geschafft auch international Fuß zu fassen. Andere Bands wiederum, wie The Coronas und The Frames nehmen zwar jeden Award mit und sorgen stets für ausverkaufte Stadien aber schaffen es nicht aufs internationale Parkett. So kam die Frage auf, was internationaler Erfolg für Walking On Cars bedeutet. „Es ist definitiv eines unserer Ziele, auf die wir hinarbeiten.“ so Sorcha. „Speziell was das Touren angeht. Wir lieben es zu touren und möchten noch dieses Jahr zurück nach Deutschland kommen um mehr Konzerte zu geben. Irland ist sehr kompakt, was die Musiklandschaft angeht, da stößt man schnell an Grenzen. Für uns als Band, die lange dafür gearbeitet hat als Musiker leben zu können, ist es natürlich auch wichtig über Irland hinaus zu schauen und in anderen Ländern erfolgreich zu werden. Dazu kommt, dass wir es alle lieben neue Orte zu bereisen und zu entdecken.“ und Paul fügt hinzu „Wir sind natürlich über alles froh, was wir erreichen, arbeiten aber auch immer weiter und wollen nach Europa, Schritt für Schritt auch nach Amerika oder Australien kommen. Wir wollen uns, was das angeht, gar nicht ausruhen und mit dem zufrieden geben was wir bisher erreicht haben.“
Im Zuge ihrer Promotour durch Deutschland und Berlin hatte die Band aus dem Tourwagen heraus so einige Plätze der Hauptstadt sehen können und so waren sie beeindruckt von der Siegessäule mit ihrer glänzenden Goldelse. Hatten aber auch schon bei früheren Reisen das Brandenburger Tor und den Fernsehturm besucht. So ist einer ihrer Wünsche, die Stadt einmal im Sommer zu erleben gar nicht mehr so schwer zu erfüllen. Spielen sie doch bereits im Mai wieder in der Hauptstadt.
Eine österreichische Firma als Sprungbrett
Doch nochmal zurück zur Bandgeschichte. Als sich Walking On Cars 2010 gründeten, arbeiteten noch alle Bandmitglieder in regulären Jobs. Paul arbeitete in einem Pub bei dem er auch heute noch gelegentlich aushilft. Sorcha studierte Politik und arbeitete als Kellnerin sowie in einem Plattenladen in dem sich ihre Wahrnehmung für Musik veränderte. Denn hier kam sie in Kontakt mit Musik von Kate Bush und Stone Roses – wollte von da an selber Musik machen. Dan arbeitete auf dem Bau und in Bars. Patrick war sogar Store-Manager eines Fliesenhändlers, was ihn – mit einem ironischem Lächeln – unglaublich ausgefüllt hatte. Evan schließlich hielt sich mit Jobs in Bars und Küchen über Wasser. In einigen der Bars und Pubs in denen sie arbeiteten hatten sie auch Auftritte. So ist der Pub Dick Macks im Video zu ‚Two Stones‘ zu sehen. Was nach vielen Konzerten und einigen Musikvideos, die auch durchs Internet gingen, folgte – die Vertragsunterschrift bei Virgin EMI Music im Herbst 2014. Doch das eigentlich spannende hierbei ist, dass bereits davor einige wirklich qualitativ brillante Musikvideos veröffentlicht wurden. So kam schnell die Frage auf, wie eine, bis dato unbekannte, Band sich das leisten kann und Paul antwortete „Wir nahmen an einer Competition teil – dem RedBull Bedroom Jam – den wir 2012 gewannen. Als Preis bekamen wir eine Woche in den Grouse Lodge Recording Studios, wo bereits Bands wie Bloc Party, Snow Patrol, Editors und Muse Songs aufnahmen. Mit Tom McFall, der unter anderem mit R.E.M., Muse und den Editors zusammenarbeitete, nahmen wir hier ‚Catch Me If You Can‘ und ‚Two Stones‘ im Original auf. Für unser Album ließen wir diese beiden Songs dann später allerdings nochmal aufnehmen. Zu diesen Zeitpunkt hatten wir viele Auftritte und brauchten noch zwei weitere Songs um eine EP zu produzieren.“
„So gingen wir in die Attica Studios und nahmen noch zwei Songs auf um dann eine selbstproduzierte EP mit dem Namen ‚If Anyone Has One‘, in einer Auflage von 3.000 Stück, zu veröffentlichen.“ wie Patrick hinzufügt.
Doch Sorcha erklärt im Anschluss „Wir kannten da diese Jungs, die gerade mit Bold Puppy Productions starteten. Wir hatten kein Geld, die Jungs brauchten etwas, dass sie ankurbelt und so kamen wir zusammen. So haben wir für die ersten beiden Videos gerade einmal 800,- € gezahlt. Später produzierten sie das Video zu ‚Speeding Cars‘ war für uns wichtig war, da wir sie für dieses Video dann auch angemessen bezahlen konnten.“
Wer schon mal die Gelegenheit hatte Irlands Landschaft zu genießen, wird wissen, dass dieses Land reich an Natur und Schönheit ist. Weshalb es auch nicht verwunderlich ist, dass die Natur einen großen Einfluss auf die fünf Iren und ihre Musik hat. Paul erklärt „Wir sind sehr eng mit der Landschaft und ihrer rauen Art verbunden. Um Dingle herum findet man die raue See, die höchsten Berge des Landes, Klippen und Strände sowie Inseln. So sind wir bei manchem Sturm auch schon mit dem Wagen an die Klippen gefahren und haben beobachtet wie der starke Wind und das aufgepeitschte Meer auf das Land trifft. Für viele ist es nur ein Urlaub mit dem Wow-Effekt, doch wir leben hier und sehen all das täglich. Da steckt es in uns drin, dass wir dieses Gefühl auch in unseren Videos wiedergeben. Selbst heute, wenn wir einen Spaziergang machen, sind wir immer wieder von neuem überwältigt von dem was wir sehen.“
Was die Zukunft bringt
Die Band hat sich viel vorgenommen. Als es um ihre kommenden Ziele geht, können sie fast gar nicht aufhören sie aufzuzählen. Da gilt es so viele Gigs wie möglich überall auf der Welt zu spielen, ein zweites Album zu veröffentlichen, auf Festivals zu spielen – hier ist mittlerweile auch das Haldern Pop bestätigt worden. Bestätigt sind auch Termine für Dubai und Abu Dhabi sowie neue Deutschlandtermine in Köln, Hamburg und Berlin.
Einen großen Schritt zu all diesen Zielen sind sie bereits gegangen. Ihr Album ‚Everything This Way‘ war im Februar für drei Wochen auf Platz eins der irischen Albumcharts und so beschreiben die fünf das Gefühl dieses Erfolges auch dementsprechend euphorisch. Für Paul ist „es ist nicht greifbar, wenn Du so lange auf etwas hinarbeitest und auf einmal auf der eins bist. Das alles kommt jetzt erst nach und nach, wenn du dir selber sagst ‚Hey, wir sind seit drei Wochen auf Platz eins‘.“ Dan fügt hinzu „Jede Band möchte natürlich auf Platz eins der Albumcharts stehen. Hätte uns jemand vor drei Jahren gesagt, dass wir einmal da oben stehen würden, wir hätten es nie für möglich gehalten. Wir sind so stark in jeden einzelnen Prozess des Albums involviert gewesen, dass für uns dieses Ziel viel zu weit weg war, als es auf einmal Realität wurde. Wir erfahren allerdings auch immer wieder einen wahnsinnigen Support von unseren Freunden, unseren Familien und den Fans da draußen.“ Und plötzlich geschieht etwas, dass die Band – die ohnehin schon sehr vertraut und freundschaftlich wirkt – warm und persönlich werden lässt. So setzt Sorcha an und erzählt, dass ihre Mutter der stolzeste Mensch ist, den sie jemals kennenlernen würde. Und die Band schiebt ein, dass auch ihre Familien ihnen dieses Gefühl geben.
Konzertkritik
Am Abend konnte man sich dann im Berliner Privatclub zu einem Showcase-Gig von ihren Songs und Live-Qualitäten überzeugen lassen. So war der Club, der 150 – 200 Personen fasst, gefüllt mit Fans und Vertretern von MTV über die RTL Radiostationen bis hin zu den Jugendwellen der Öffentlich/Rechtlichen Radiosender.
Gestartet mit ‚Tick Tock‘ ging es durch Songs wie ‚Ship Goes Down‘, ‚Always Be With You‘ ehe mit ‚At Gunpoint‘ ein erster zaghaft, fröhlicher Track einsetzte. Walking On Cars überzeugen mit jedem einzelnen Song – egal ob schwer, zurückhaltend, euphorisch oder sensibel dargeboten – wie sie im folgenden ‚Find Me Now‘ bewiesen. Hierbei bleiben alle Bandmitglieder stets wach für das Publikum und holen es ab. Dies führt zu einer Verbindung bei der das Publikum mit der Band verschmilzt und in einem warmen Gefühl der Geborgenheit aufgeht. So sind im ausverkauften Privatclub nicht nur Berliner Fans anzufinden, sondern auch Iren, die der Band den weiten Weg nach Berlin gefolgt sind. Hier ist man fast schon am vermuten, dass auch so manche stolze Mutter eines der Bandmitglieder im Publikum stehen würde.
Patrick’s Performance ergreift einen immer wieder aufs Neue und lässt die Sensibilität seines Charakters frei. Gleichzeitig ist er aber auch stärker als im Interview und zeigt sichtlich, dass er sich auf der Bühne wohlfühlt.
Bei ‚Don’t Mind Me‘ und ‚Two Stones‘ singt schließlich auch das Publikum mit. Als ‚Catch Me If You Can‘ einsetzt ist selbst in der letzten Reihe das „….come home with meeeee“ zu hören. Natürlich waren auch ‚Hand In Hand‘ und ‚Speeding Cars‘ zu hören, die auch hier textsicher mitgesungen wurden.
Das Konzert endete, wie es angefangen hatte. Mit einem frenetischen Applaus. Im Anschluss mischten sich alle Bandmitglieder unter das Publikum und stießen mit dem ein oder anderen, ganz irisch, auf ein Bier an.
Wer sich die sympathischen Iren mit ihrem großen Sound einmal live ansehen möchte, hat bei folgenden Terminen Gelegenheit dazu:
4. Mai: Luxor, Köln
11. – 13. August: Haldern Pop Festival
Wer sich bis dahin nicht gedulden kann, hat die Möglichkeit ‚Speeding Cars‚ schon jetzt oder am 6. Mai das Album ‚Everything This Way‘ überall zu kaufen.
‚Everything this Way‘ bei iTunes
‚Everything this Way‘ bei Amazon
‚Everything this Way‘ bei Saturn/Media Markt
Sehr schön! Richtig ausführlich mit Konzertkritik. Sehr locker gut geschrieben nicht so Frage – Antwort Spielchen! Coole Sache, ich hoffe andere Interviews folgen beizeiten 😉 Die Songs sehr radiotauglich und damit auch zukunftstauglich.
Gruß
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Hey Dominik, danke Dir! Ich kann Dir auf jeden Fall schon mal verraten, dass in den nächsten wochen weitere Interviews folgen werden. 😉 LG
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