Da ist er wieder – der Zwiespalt, der mich überkommt, wenn ich neue Songs von Bosse höre. Aki Bosse schafft es wie kaum ein anderer deutschsprachiger Musiker, so häufig Songs zu veröffentlichen, bei denen man melodisch ins Stolpern gerät. Immer wieder sind Gesang und Rhythmus nicht sofort ein Match. Doch genau das ist es auch, was Bosse ausmacht. vielleicht sein Alleinstellungsmerkmal. Vielleicht aber auch nur eines davon, denn was Bosse besonders gut beherrscht, ist die universelle Sprache, in der er seine Lyrics packt. Hier ist nichts verschachtelt, kein zweiter Boden zu finden. Gleichzeitig sind die Texte so sympathisch und offen, wie man es nur von Bosse gewohnt ist. Nun hat der Braunschweiger mit Übers Träumen sein neuntes Studioalbum veröffentlicht und schien im Songwriting-Prozess viel Zeit in Berlin verbracht zu haben. Denn immer wieder kommen die Songs an Referenzen der deutschen Hauptstadt vorbei. Doch allen voran hat Kreuzbergmädchen einen großen Anteil an dieser Empfindung. Nicht nur, dass Bosse hier von einem Tag und einer Erinnerung an das Kreuzbergmädchen singt, ist der Song auch mit Hinblick auf das gesamte Album ein großes Ausrufezeichen. Da arbeitet sich Bosse durch viele Bilder, baut Szenen auf und lässt Gefühle raus. Dabei ist der Song auch musikalisch eine Besonderheit. Denn hier geht es nicht, wie sonst bei Bosse typisch, mit rumpeligen Bridges zu einem euphorisch, sympathischen Refrain, sondern fließt der Song förmlich dahin. Dabei kommen ferne Gitarren, schwelgende Lyrics und ein generell verträumter Anstrich zum tragen, der Bosse nachdenklich und voller Sehnsucht zeigt.

Kreuzbergmädchen ist ein Song, der voller Liebe steckt, obwohl die besungene Liebe scheinbar Vergangenheit ist. Im Moment, als die Trompeten einsetzen, der Gesang von Bosse hallend zu verschwinden scheint, wird den Hörenden plötzlich warm um die Brust. Hier öffnet sich das Herz und lässt den Fokus gänzlich von Bosse selbst verschwinden, hin zu einer Empathie und Freude, die nur in eine Richtung zu gehen scheint – die der Leidenschaft. Doch ist das nicht etwa ein Grund, die Gefühle abzustellen. Vielmehr ist es der Auslöser, dieser Leidenschaft jetzt erst recht zu folgen. Und dann ist die Tür plötzlich wieder offen, die Bosse mit Songs, wie Vater, Dein Hurra, Frankfurt Oder, Yipi oder 3 Millionen seit jeher versteht zu platzieren. Es ist diese Melancholie, diesee Resignation – verbunden mit Liebe – die Bosse so kräftig zu verbinden weiß. Und so hat es auch Übers Träumen dann wieder geschafft, über die melodischen Stolperer hinweg die großen Momente in den Vordergrund zu stellen. Bosse bleibt eben Bosse. Man kann ihn einfach nicht, nicht mögen. Man möchte es auch gar nicht. Viel zu gut und sympathisch sind die Songs und so greift Aki Bosse auch auf seinem neuesten Album wieder nach unserer Hand, um uns mitzunehmen und einen Moment mit ihm zu feiern, trauern, grübeln aber vor allem immer auch mit ihm zu genießen.