Låpsley gilt seit ihrem Debütalbum Long Way Home (2016) als eine der interessantesten Acts der britischen Insel. Dabei kämpft Holly Lapsley Fletcher mit ihren ganz eigenen Dämonen, die sich durch Selbstzweifel, Selbstwertgefühl und der eigenen Identität bemerkbar machen und thematisiert dieses immer wieder in ihren Songs. Bereits auf ihrem zweiten Album Through Water (2020) konnte man dies in den Lyrics der Songs feststellen. Mit ihrem 2023 veröffentlichten dritten Album Cautionary Tales Of Youth schüttelte die in York geborene Sängerin immer mehr von ihren Verbindlichkeiten gegenüber größeren Plattenlabels ab. Nun hat Låpsley mit Church die erste Single, seit ihrem 2014er Debütalbum komplett unabhängig veröffentlicht und nutzte dafür ihr selbst gegründetes Plattenlabel Herownrecordings. Dieses baut die in London lebende Musikerin zu einem Plattenlabel für Frauen und Non-Binäre-Acts auf und möchte gleichzeitig eine Community fernab der großen Plattenlabel etablieren. Zur Veröffentlichung von Church postete Låpsley nun auf ihren sozialen Kanälen die Gedanken, die sie in den vergangenen Jahren immer öfter zu spüren begann.

Es war ein Privileg, mit meinem Bruder und meinen Cousins in Freiheit der Entfaltung, mit Abenteuern und endloser Wundern aufzuwachsen – völlig ohne Einschränkungen. Aber mir wurde damals ein unrealistischer Traum verkauft, dass die gleiche Behandlung von Männern und Frauen fortbestehen würde und langsam, im Laufe meiner Teenagerjahre und bis ins Erwachsenenalter, zeigten sich die Unterschiede auf dunkle und unerwartete Weise. Es gibt eine Trauer um ein Leben, das niemals existieren konnte oder würde, innerhalb des Patriarchats – so Låpsley. Damit spricht sie über die Unterdrückung, die Frauen heute weiterhin in allen Bereichen zu spüren bekommen. Sei es durch abwertende Kommentare von Sportmoderatoren, der täglichen Angst auf der Straße, Opfer von Übergriffen oder in beruflichen Bereichen nicht ernstgenommen zu werden. Was wäre Låpsley für eine Person geworden, hätte sie all das nicht beeinflusst? Mit Church spielt sich Låpsley die Geschichte vor, die ihr jahrelang erzähl wurde und in der sie sich jetzt, als 28-Jährige nicht wiederfindet. Mit gezupften Gitarren und Låpsley klarer Stimme klingt Church nach einem resignierenden Song, der sich damit abfindet, Strukturen zwar nicht aufbrechen zu können, sie aber auch nicht unterstützen zu wollen. Als warme Ballade passt Church wunderbar in die kalte frühwinterliche Jahreszeit, bei der man sich nach Wärme und Geborgenheit sehnt. Låpsley schafft diese Geborgenheit zu erzeugen, auch wenn Church – bedingt durch das Thema – eine andere Richtung einschlagen könnte. Låpsley könnte in den nächsten Monaten, durch ihre neugewonnen Freiheit der Unabhängigkeit kreativ wachsen und uns mit frischen Songs begeistern, die eines garantieren – Themen anzusprechen, die sonst in der Popmusik nur wenig Raum erhalten.