Nachdem es 2014 mit schweißtreibenden 35°C durch das Festivalwochenende ging, kündigten sich bereits in den Tagen vor dem MELT! Festival 2015 ähnliche Temperaturen an. So war ein wunderbar hochsommerliches Wochenende mit Künstlern aus aller Welt sicher – dachte man. Doch, dass die kommenden drei Festivaltage so viel mehr und so viel Unerwartetes zu Tage bringen würden, hatte wohl keiner vermutet – so wurde man schnell zum Festivalchamäleon. Doch der Reihe nach, heute starten wir mit dem ersten Festivaltag.
Nun, da Anreise und Aufbau des Zeltes erledigt waren, ging es am frühen Abend hinein, in die Stadt aus Eisen – Ferropolis. Hier wurde man bereits von Years & Years begrüßt, die auf der Geminin-Stage für einen rauschenden Empfang sorgten. Ist ihr Elektropop und die markante Stimme des Frontsängers Olly Alexander doch gerade allgegenwärtig. Überrascht konnte man dann auch auf Alexander’s Veränderung sein, ist er doch mittlerweile erblondet in einem übergroßen Muskelshirt auf der Bühne erschienen, wirkte er fast wie ein kleiner Junge auf eben dieser. Vielleicht ist das auch der Grund für ihren Erfolg – könnte Alexander doch der Nachbarsjunge von so vielen sein.
Neben Songs wie Desire und Take Shelter waren auch immer wieder Stücke dabei, die eher selten zu hören waren, da das Rampenlicht erst seit Desire auf die drei Jungs strahlt. So wurde aus einer der ersten Singles Real zwischenzeitlich eine düstere Atmosphäre mit wummernden Beats geschaffen, bis dann wieder der Schlüsselsong für die Band King angestimmt wurde. Das Publikum zeigte hier ausgiebig, dass es den Songtext kennen und ekstatisch mitsingen kann. Alexanders Performance wurde hierbei stark auf das Wirken seiner Person zugeschnitten. Spielte er doch immer wieder mit seinem äußeren Erscheinungsbild eines Jungen, seiner sehr präsenten Stimme und seinem durchdringenden Blicken. Was, gleich zu beginn auffiel; es schien hier rein gar keine Festivalgänger zu geben, die „nur mal kurz schauen“ wollten. Hier tanzten alle in der überdachten Gemini Stage sprichwörtlich auf den Tischen.
Nach kurzem vorbeischauen auf der Mainstage mit Bilderbuch – die bereits 2014 auf dem Melt! (damals noch im Intro Zelt) spielten – ging es weiter zur Desperados Melt! Selektor Stage, auf der Jamie XX ein DJ-Set ablegte. Hier lauerte wohl der größte Reinfall des Wochenendes. Wurde doch diese Bühne bereits am Anfang des Hügels, und somit weiträumig, abgesperrt. Das geschah, obwohl Jamie XX gerade erst 10 Minuten, von seinem knapp 2 stündigen Set, gespielt hatte. Irgendwie doch durchgekommen war der gesamte Strandbereich überfüllt und ähnelte dem Andrang an der Mainstage kurz zuvor. Hier konnte man leider nicht all zu viel vom Auftritt des Briten mitbekommen, war man doch eher damit beschäftigt war seine Truppe wieder zusammenzubekommen.
So ging es dann schließlich auch wieder zurück zur Gemini Stage, auf der die in London lebende Shura ihr knapp 40 minütiges Set spielte. Erstaunt, dass man eine blondierte Frau in Jeansjacke vorfand, die so gar nicht auf die Vorstellungen und ihre Stimme passend wollte, hatte man zu so einer fragilen Stimme doch eher eine kleine zierliche Person erwartet, die auf der Bühne versinken müsste. Umso angenehmer war es von seinem eigenen Bild losgerissen zu werden und der Spielfreude Shura’s zu verfallen. Sieht man ihr doch sichtlich an, dass es Ihre Songs sind, die sie hier fühlte und sang. Zum sympathischen achtziger Jahre Sound und Shuras, eben angesprochenen, sanften Stimme passte sich das Publikum wunderbar an und bewegte sich fast schon wellenartig mit dem Takt. Eine Performance zum wohlfühlen und genießen. Wunderbar waren hier natürlich vor allem Indescicion, 2Shy, Just Once und Touch die alle live einen unglaublichen Verve hatten. Noch kein eigenes Album auf dem Markt und trotzdem auf der großen Bühne, dieses Motto stand an diesem Wochenende über allem.
Auf dem Weg über das Festivalgelände war ein kurzer Abstecher zur Mainstage natürlich ein Muss und so kam man in den kurzzeitigen Genuß etwas von der Postrock-Band Mogwai zu erhaschen. Doch was einem da aus den Lautsprechern entgegen schlug, war eine Mischung aus Industriehallenklang und abgenutzten Keilriemen. Es war schier unerträglich diesem Sound zu folgen und so saßen unzählige Menschen hinten auf den Stufen der Mainstage und hielten sich die Ohren zu. Als dann etwas später noch ein Austausch mit Leuten erfolgte, die direkt vor der Bühne das komplette Konzert verfolgten relativierte sich der kurze aber heftige Eindruck etwas, war doch genau dieses Geschrammel zum Abschluß nicht diese Art von Musik, die Mogwai vorher knapp 45 Minuten lang spielten.
Ein weiteres Highlight des gesamten Festivals wurde bereits am Freitag auf der Mainstage gezeigt. So waren London Grammar auf der Bühne und spielten Songs aus ihrem, von Kritikern hoch gelobten, Debütalbum If You Wait. So kamen die beiden Jungs um Hannah Reid auf die Mainstage und sahen so gelassen und unspektakulär aus, dass man meinen konnte, sie kämen geradewegs aus einem Supermarkt. Hannah hatte beispielsweise eine einfache Bluejeans mit weißer Bluse an. Ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden stand sie völlig unprätentiös auf der Bühne. Doch was dann ab dem ersten Ton zu Hey Now aus dieser Frau kam war alles andere als unprätentiös. So ging es über Darling Are You Gonna Leave Me und Shyer zu Wasting My Young Years, dass mit dem sich kurz steigernden Chor am Anfang schnell in eine Uptempo-Nummer wandelte und die Menschen vor der Bühne, mit geschlossenen Augen und, in die Luft gestreckten Armen, tanzen ließ. Es folgte Flickers, das in Help Me Loose My Mind überging, Kavinsky’s Nightcall und schließlich Strong. Hier war selbst für ein Festival wie es das MELT! ist, eine geradezu Gänsehaut bringende Stille eingekehrt. Dieser Hall, der von Reids Stimme aus über der Mainstage schwebte erzeugte ein Vakuum, wie es nur wenige Bands mit noch wenigeren Songs schaffen. London Grammar ist so eine Band und Strong so ein Song.
Der krasse Gegenpol zu London Grammar war anschließend im Intro Zelt zugegen. Trat doch hier der aus Berlin Köpenick kommende Romano auf die Bühne. Bereits auf dem Berlin Festival als Pausenüberbrückung aufgetreten, wurde ihm auf dem MELT! selbst einer der Timeslots überlassen. So wartete das Intro Zelt – seit jeher eine Sauna – mit dicker und feuchter Luft auf seine Besucher. Diese Konstellation von heißer Luft, wummernden Beats und Romanos Art zu performen ergab eine explosive Mischung die jede Minute hätte hochgehen müssen. Songs wie Metallkutte, Brennt Die Bank ab und Der schöne General ließen dem Publikum wenig Zeit zum atmen, dazu kam, dass Romano mit seiner, von sich überzeugten, Art einfach wusste, wie er die Massen in Bewegung setzen konnte. Große Gesten, viel Pathos und dazu ein, fast schon schmerzhafter, Bass. Das wäre die Zusammenfassung dieses doch recht unterhaltsamen Auftrittes.
Noch ein Act mit sehr viel Bass folgte gegen 2:30 Uhr dann mit etwas Verspätung auf der Mainstage. Der gerade einmal 23 jährige Australier Flume griff allen Erwartungen vorweg und spielte gleich als zweiten Track seine aktuelle Single Some Minds. Dass dies der ohnehin schon guten Stimmung noch zuträglicher wurde, dürfte wohl keinen gewundert haben. Ist doch sein Mix aus Trip Hop, Deep House und experimentellem Elektro unverkennbar mit ihm verknüpft und so zu seinem Markenzeichen geworden. Mit Sleepless, Holdin‘ On und Paper Thin folgten weitere Eigenproduktionen ehe er mit seinem Remix von Lorde’s Tennis Court die zweite Hälfte seines Auftrittes einläutete, die ausschließlich mit Remixen bestückt war. Abschließend folgte dann mit ‚Insane‘ doch noch eine weitere Eigenproduktion und beendete den Abend auf der Mainstage.
So ging der erste Abend schweißtreibend zu Ende und ließ keinen Funken unerfüllter Erwartungen zurück. Das Gro der Festivalbesucher trat hierbei auch den Rückzug an und bereitete sich auf Tag 2 vor.